Paralympisch leben

Spiel mal Blindenfußball

Spiel mal Blindenfußball
Foto: Bildquelle: dpa
11. Juli 2017

Spiel mal Blindenfußball

Unsere Kinderreporterin Julie Klostermann, 12, ist eine sehr gute Fußballerin. Aber kicken, ohne was zu sehen? Das ist noch mal eine ganz andere Herausforderung!

 

Fußball spielen? Kann eigentlich jeder. Aber blind? Nicht ganz so einfach. Doch der zwölfjährige Nico Rother kann es - und sogar richtig gut!

 

Er spielt seit ungefähr einem halben Jahr im Fußballverein Viktoria in Berlin-Lichterfelde, der auch eine Blindenfußball-Mannschaft hat. Beim Blindenfußball ist das Besondere, dass alle Feldspieler stark sehgeschwächt oder blind sind. Alle Spieler setzen eine Art Schlafmaske auf, denn nur so haben auch wirklich alle die gleichen Bedingungen und müssen sich auf ihre anderen Sinne konzentrieren.

 

Ich durfte selber beim Training mitspielen und fand es sehr aufregend und spannend. Am Anfang hatte ich Angst, gegen die Hallenwand zu rennen. Interessant war für mich auch die komplett andere Technik beim Dribbeln, Ballstoppen und Schießen. Es war kompliziert, weil man an so viel denken musste. Die einfachsten Dinge werden plötzlich fast unmöglich. Mir ist aufgefallen, dass man beim Blindenfußball viel mehr miteinander reden muss als beim normalen Fußball.

 

Anders als beim normalen Fußball ist auch, dass immer vier Spieler in einem Team spielen und dass es zwei Trainer gibt: einen am Spielfeldrand und einen sogenannten Guide hinterm Tor, der den Spielern hilft, sich besser zu orientieren.

 

Der Torwart sieht übrigens normal, denn er muss nicht nur den Ball halten können, sondern auch seine Abwehr dirigieren und richtig stellen. Damit die Spieler überhaupt wissen, wo der Ball ist, befinden sich in dessen Innerem Kügelchen, die gegen Metallplättchen rasseln, wenn er sich bewegt. So hört man, aus welcher Richtung der Ball ungefähr kommt.

 

Drei Meter von dem Spieler entfernt, der gerade den Ball hat, müssen die Blindenfußballer "voy!" rufen. Das ist Spanisch und heißt so viel wie "Ich komme, hier bin ich!". Beim Blindenfußball muss man also auf ganz schön viel achten, vor allem braucht man sehr gute Ohren. Um ihre Köpfe zu schützen, tragen die Spieler einen Schaumstoffring um die Stirn.

 

Nico hat früher schon Fußball gespielt, doch als seine Augen schlechter wurden, ging das nicht mehr. So kam er zum Blindenfußball. Zweimal die Woche trainiert er in seinem Fußballverein, einmal in der Halle und einmal draußen. Zum Training fährt ihn seine Mutter, allein mit der Bahn oder mit dem Bus geht es nicht. Das liegt zum einem daran, dass Nico mittlerweile fast blind ist, aber der entscheidende Punkt ist, dass er knapp 150 Kilometer weit entfernt vom Fußballplatz im Bundesland Brandenburg wohnt.

 

Zur Schule geht er in Königs Wusterhausen, auf die Schule für Blinde und Sehbehinderte. In kleinen Klassen kann den Schülern gut geholfen werden. Auch auf der Straße begegnen ihm viele hilfsbereite Menschen, sagt Nico. Wenn er Hilfe braucht, fragt er einfach jemanden. Aber eigentlich kommt er mit seinem Blindenstock im Alltag ganz gut zurecht. Und ein bisschen sehen kann er ja noch.

 

Da es in Deutschland insgesamt nur acht Blindenteams gibt, die alle in einer Liga spielen (beim normalem Jugend-Fußball gibt es mehrere Ligen allein in Berlin!), reist Nico mit seiner Mannschaft durch ganz Deutschland. Nur für einen Spieltag fährt er manchmal mit dem Zug quer durchs Land, zum Beispiel nach Stuttgart oder Dortmund.

 

Nico ist der jüngste Spieler in der deutschen Bundesliga, bei Spielen trägt er die Rückennummer 6. Dass er so jung ist, bedeutet, dass er ziemlich viele Genehmigungen braucht, damit er überhaupt bei Fußballspielen mitspielen darf. Nico verfolgt die 1. und 2. Bundesliga, manchmal auch im Stadion. Dafür bekommt er ein extra Headset. Seine Lieblingsmannschaft ist Dynamo Dresden. Und Fußball ist nicht der einzige Sport, den Nico treibt - er schwimmt und reitet auch sehr gerne.

 

KLOSTERMANN JULIE

Quelle: Tagesspiegel