Paralympisch leben

Sabine Ellerbrock: „Die Paralympics 2016 in Rio sind mein großes Ziel."

Sabine Ellerbrock: „Die Paralympics 2016 in Rio sind mein großes Ziel."
16. Juli 2014

Wenn nach den letzten deutschen Grand-Slam-Siegen gefragt wird, fallen meist die Namen von Steffi Graf und Boris Becker. Sabine Ellerbrock haben hingegen nur die wenigsten Tennis-Fans auf der Rechnung. Dabei gehört die Bielefelderin seit Jahren zur Weltspitze, stand monatelang auf dem ersten Platz der Weltrangliste und holte bereits zwei Grand-Slam-Siege – im Rollstuhltennis. Für ihren Sport investiert die Lehrerin viel – und hat noch Großes vor: „Die Paralympics 2016 in Rio sind mein großes Ziel, bei dem ich gerne die in 2012 verpasste Medaille nachholen will.“

Zum Rollstuhltennis kam Ellerbrock aufgrund einer Erkrankung; seit 2007 ist ihr Fuß durch einen Morbus Sudeck, ein regionales Schmerzsyndrom, zur Sichelform versteift. Vorher spielte sie im Doppel für das Bundesligateam des Bielefelder TTC, danach – ab 2009 – fand sie ihr neues Glück im Rollstuhltennis. Etwa drei bis fünf Stunden trainiert die 38-jährige täglich, vor allem an ihrem Fahrverhalten feilt sie akribisch. Die Regeln entsprechen überwiegend denen des „Fußgängertennis“ – der entscheidende Unterschied ist: Der Ball darf im eigenen Feld zweimal aufkommen; so haben die Athleten Zeit für die Lenkung des Rollstuhls, die viel Reaktionsgeschwindigkeit und Technik erfordert. Die Netzhöhe stellt für die Aktiven im Rollstuhl zwar eine andere Herausforderung dar als für die ‚Fußgänger’ – aber Ellerbrock bereitet die neue Perspektive keine Schwierigkeiten mehr. „Man hat tiefere Treffpunkte, die Schlagwinkel sind andere – es gibt mehr Top-Spin-Bälle“, beschreibt sie, „aber anders als bei Spielern mit Querschnittlähmung kann ich mich im Oberkörper frei bewegen, brauche keine Rückenlehne und muss den Rücken nicht fixieren “. Beim Aufschlag kann sie sich weit zurücklehnen und ausholen. Ihr Rollstuhl ist entsprechend konzipiert und gebaut – er unterstützt ihre Stärken.

Rollstuhltennis ist technisch anspruchsvoll und äußerst anstrengend. Das Stellungsspiel ist ein Kraftakt. Rollstuhltennis ist Hochleistungssport. Im Vergleich zu anderen Nationen hat das Spiel in Deutschland jedoch noch großes Entwicklungspotenzial. Gerade die fehlende mediale Präsenz macht die Sportart für viele Sponsoren unattraktiv. „Bei uns werden Sachen nur interessant, wenn man damit Geld verdienen kann“, kritisiert Ellerbrock.

Doch selbst sie als eine Top-Three-Spielerin ist auf das Gehalt ihres Lehrerjobs angewiesen, allein ihr neuer Rollstuhl kostete 15.000 Euro. So unterrichtet Ellerbrock auf halber Stelle an einem Bielefelder Gymnasium Biologie, Sport und Mathematik. Das Pensum ist hoch, beim Grand-Slam-Turnier in Paris im vergangenen Jahr korrigierte sie nebenbei Klausuren. „Die Doppelbelastung ist zwar anstrengend, aber durch den Sport verarbeite ich meine Erkrankung. Er hilft mir, mit dem Schmerz umzugehen“, sagt Ellerbrock. Doch bis zu ihrem großen Ziel, der Medaille in Rio 2016, will sie das noch durchziehen: „„Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, kann ich sehr diszipliniert und sehr ausdauernd an etwas arbeiten. Ich habe den Anspruch, mein Potential auszuschöpfen.“