Paralympisch leben

Lauf ins Licht // Malu Perez Iser hatte nach ihrem Unfall alle Hoffnung verloren

Lauf ins Licht // Malu Perez Iser hatte nach ihrem Unfall alle Hoffnung verloren
Foto: Malu Perez Iser bei den Paralympischen Spielen in Rio 2016. Quelle: Picture Alliance
23. September 2016

Eine der schönsten Geschichten der Paralympics ist die von Maria Luz "Malu" Perez Iser. Der jungen Kubanerin musste nach einem Unfall vor sieben Jahren das linke Bein amputiert werden, bis zum November 2014 war sie mit Gehhilfen unterwegs. Aus ihrer Verzweiflung half ihr eine Stelle bei der staatlichen Stelle für Behindertensport in Havanna. Hier traf sie im November 2014 auf Heinrich Popow, Goldmedaillengewinner über 100 Meter bei den Paralympics in London - und später beim Weitsprung, in Rio.

Popow gehört zum Team des Projekts "Running Clinics" des Prothesenherstellers Ottobock, bei dem weltweit junge Oberschenkelamputierte ihre Fähigkeiten testen können. Malu Perez Iser war mit der Auswahl von Talenten befasst, acht von ihnen sollten gefördert werden. Und dann saß sie eines Tages Heinrich Popow gegenüber - eine Begegnung, die ihr Leben verändern sollte. Denn der Sportler aus Deutschland ermunterte sie, mal seine Prothese auszuprobieren. Sie tat es und wagte ihre ersten Schritte, erst vorsichtig, dann immer sicherer. Popow hat diesen Moment mit seinem Smartphone aufgenommen, zu sehen ist, wie Malu sich dreht und glücklich zu lächeln beginnt. Als Popow ihr seine Goldmedaille aus London umhängt, ist die Entscheidung gefallen: Sie sucht nicht mehr die Talente aus, sie gehört jetzt selbst dazu. Ein paar Monate später, im April 2015, bekommt sie ihre erste eigene, exakt angepasste Prothese und beginnt mit dem Training.

Knapp anderthalb Jahre später feiert in Havanna ein ganzes Stadtviertel, und in Rio brandet Applaus auf im riesigen Servicezelt von Ottobock auf dem Gelände des Athletendorfs. Malu Perez Iser kommt herein, ein Bronzemedaille um den Hals - ihre eigene: Sie ist Dritte geworden beim Weitsprung. Techniker drehen sich um und zollen ihr mit erhobenem Daumen Respekt, Ottobock-Chef Hans Georg Näder nimmt sie in den Arm, und Motivator Heinrich Popow strahlt sie stolz an. Ein Lehrer hatte ihm einst nach der Amputation seines Beins als Neunjährigem empfohlen, sich ein Attest zur Befreiung vom Sportunterricht zu besorgen. Dabei ist genau das Gegenteil richtig, wie er weiß, und das versucht er heute von Amputationen betroffenen Kindern und Jugendlichen mithilfe der "Running Clinics" von Ottobock zu vermitteln. Und vom 12. bis 15. Oktober laden Ottobock und Heinrich Popow zum "Talent Camp" nach Duderstadt.

Malu Perez Iser hatte nach ihrer Amputation gedacht, ihr Leben sei zu Ende. "Doch dann kam Heinrich", sagt sie, "und er hat mir den zweiten Teil meines Vornamens zurückgebracht: Maria Luz." Licht. Für den kubanischen Sportverband arbeitet sie weiter, jetzt als Vorbild für andere.

Quelle: Tagesspiegel