Paralympisch leben

Die Gute-Laune-Schwimmerin

Die Gute-Laune-Schwimmerin
20. Juli 2015

Bei der Schwimm-WM in Glasgow etablieren sich Emely Telle und Maike Naomi Schnittger als Nachwuchshoffnungen hinter Daniela Schulte.

Jeden Tag mindestens eine Medaille, elf insgesamt, davon zwei in Gold: Die Schwimm-WM in Glasgow lieferte für die Deutsche Paralympische Mannschaft viele Jubelmomente. Hinter Medaillensammlerin Daniela Schulte bewarben sich gleich zwei ganz junge Athletinnen als Nachwuchshoffnungen für das paralympische Schwimmen der Zukunft - und als Gute-Laune-Garantinnen.

Als Emely Telle nach dem Gewinn der Silbermedaille über ihre Paradestrecke 100 Meter Brust aus dem Wasser kam, stand er schon da: Der Reporter des ZDF. Also sprach die 18-Jährige hastig ins Mikrofon: „Ich bin einfach total glücklich - und total hibbelig. Darf ich jetzt bitte zu meiner Freundin?“ Noch während die Wahl-Berlinerin das sagte, hatte sie es nicht mehr ausgehalten: Sie wollte zu Maike Naomi Schnittger, ihrer Zimmerkollegin und „besten Freundin in der Nationalmannschaft“, die für den SC Potsdam startet.   

Die beiden umarmten sich, hüpften kreischend umher, freuten sich. Schon die ganze Woche sorgten sie für die gute Laune im Team, Schnittger hatte die Fingernägel gelb lackiert, Telle schwarz-rot, sodass im Endeffekt die deutsche Fahne an ihren Händen schimmerte. Und im Regenerationsbecken streckten sie sich gegenseitig die Füße ins Gesicht, was dann, facebooktauglich, auch gleich in den sozialen Medien verbreitet wurde. Telle und Schnittger - sie waren die erfrischendsten Gesichter dieser WM und mit 18 und 21 die Zukunft des Paralympischen Schwimmens - auch wenn Telle sich selbst schon nicht mehr als „Nachwuchssportlerin“ sieht.

Emely Telle: Goldmedaille bei den Paralympics in Rio als Ziel

Ihre Erfolge sprechen für sich: Mit 16 Jahren holte sie 2013 bei der WM Silber, bei der EM 2014 ebenfalls - und mit nunmehr 18 Jahren war sie so nah dran an der Goldmedaille wie noch nie, nur 35 Hundertstel fehlten zur Siegerin und Weltrekordlerin Karolina Pelendritou aus Zypern. „Ich hatte das überhaupt nicht erwartet. Die letzten 20 Meter habe ich sie sogar gesehen, weil sie so nah an der Leine schwamm, dann habe ich natürlich noch mal alles in Richtung Gold probiert. Aber ich bin auch so super happy. Das ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen für nächstes Jahr“, sagt Telle, die bei den Paralympics in Rio am liebsten eine Goldmedaille möchte.

Rund 25 Stunden in der Woche trainiert sie dafür mit ihrem Coach Maik Zeh, nachdem sie schon mit 15 Jahren aus Thüringen zum Berliner Schwimmteam gekommen war. „Das Wichtigste ist, dass in unserem Team der Zusammenhalt so stark ist.“

Die Bedingungen stimmen - doch die Silbermedaille in Glasgow ist keine Garantie, dass Telle auch mit nach Brasilien darf. Dafür muss sie noch Normen unterbieten, die der Deutsche Behindertensportverband voraussichtlich Ende des Jahres veröffentlichen wird. Wo sie sich bis dort verbessern kann? „Am Start. Und bei den Wenden fühle ich mich noch immer sehr unsicher“, sagt Telle, die nur etwa zehn Prozent Sehkraft besitzt, „also, ob ich vor der Wand noch einen Zug mache oder nicht. Das ist noch nicht besser geworden bei mir. Da muss ich üben, üben, üben.“
       
Quelle: Tagesspiegel